Jüdische Vereine, die zu verschiedenen Zwecken gegründet wurden, existieren in Wiesbaden vermutlich schon seitdem es eine jüdische Gemeinschaft gibt. Anhand von Unterlagen nachweisbar sind jüdische Vereine ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Die meisten unterstützten Arme und Kranke. Einige verschrieben sich der Wissensvermittlung, andere der Musik.

Der „Synagogen-Gesangverein“

Einer der erfolgreichsten jüdischen Vereine in Wiesbaden war der „Synagogen-Gesangverein“. 1863 gegründet, gab er 1869 anlässlich der Einweihung der Synagoge ein Konzert im Kurhaus vor Kaiser Wilhelm I. Selbsterklärter Vereinszweck war die Pflege synagogaler Musik, die auf die Geschichte des Tempels in Jerusalem zurückgeht. Unter anderem Rabbiner Abraham Geiger setzte sich dafür ein, dass mit der Gleichberechtigung von Juden und Christen auch der jüdische Gottesdienst geändert werden sollte. In der alten Wiesbadener Synagoge gab der „Synagogen-Gesangverein“ deshalb Konzerte am Freitagabend, obwohl Freitagabend bis Samstagabend im Judentum Schabbat gefeiert wird. In dieser Zeit ist zum Beispiel Musizieren nicht erlaubt. Der Verein setzte sich außerdem dafür ein, dass am Sonntag eine Feierstunde mit Musik in der Synagoge abgehalten wurde. Damit wollte man sich den christlichen Gottesdiensten noch weiter annähern. All diese Änderungen waren für Jüdinnen und Juden, die die Regeln des Judentums einhalten wollten, nicht akzeptabel. Sie traten aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus und gründeten eine neue Gemeinde.

Auch heute werden Teile des Gottesdienstes gesungen. Orgeln findet man in neuen Synagogen allerdings nicht mehr. Musik hat einen festen Platz in der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden. Sie lädt regelmäßig im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Tarbut – Zeit für jüdische Kultur“ zu Konzerten von Klassik über Jazz bis Klezmer-Punk ein.

Das „Jüdische Lehrhaus“

Die Vermittlung jüdischer Traditionen, Vorträge, wissenschaftliche Diskussionen und Lesungen bot der „Verein für jüdische Geschichte und Literatur zu Wiesbaden“ an. 1906 beschäftigte sich Dr. Gustav Karpeles auf Einladung des Vereins mit jüdischer Literatur. Der Verein war Träger des 1924 gegründeten „Jüdischen Lehrhauses“, das nach dem Vorbild des 1920 in Frankfurt am Main gegründeten „Freie Jüdische Lehrhaus“ entstanden war. Alle jüdischen Vereine wurden 1938 oder spätestens 1939 aufgelöst.

Der „Verein für jüdische Geschichte und Literatur zu Wiesbaden“ wurde nach 1945 zwar nicht wiedergegründet. Trotzdem gibt es heute in Wiesbaden wieder ein „Jüdisches Lehrhaus“. 2013 gründete es die Jüdische Gemeinde Wiesbaden wieder.

Die „Vereinigung jüdischer Frauen“

Da in die meisten Vereine nur Männer als Vertreter der ganzen Familie aufgenommen wurden, gründeten Jüdinnen eigene Vereine. Mitglieder der Alt-Israelitischen Kultusgemeinde trafen sich im Israelitischen Frauenverein „Gemiluth Chesed“ Wiesbaden, der durch Spenden die Unterhaltung des 1877 gegründeten jüdischen Friedhofs am Hellkundweg unterstützte. Zu Ehren der Spenderinnen und Spender wurde eine Tafel am Eingang des Friedhofs angebracht. „Gemiluth Chesed“ widmete sich der Frauen- und Mädchenhilfe. 1917 entstand die „Vereinigung jüdischer Frauen“. Zweck des Vereins waren ebenfalls Frauen- und Mädchenhilfe, Familien- und Kinderfürsorge. Der Verein bot außerdem eine Berufsberatung für jüdische Mädchen an. Heute engagiert sich die „Women’s International Zionist Organisation“ (WIZO) weltweit für Frauenrechte und das Wohlergehen von Müttern und Kindern. Die weltweit größte internationale Frauenorganisation wurde 1920 in London gegründet. 1960 entstand WIZO Deutschland.

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