Der Komponist Kéler Béla war 1869 in Wiesbaden als Leiter des Kurorchesters angestellt. Der in Ungarn geborene Kéler schuf viele Werke, die Wiesbaden und seiner Kurgesellschaft gewidmet waren. Die Musikstücke dienten der Unterhaltung der Kurgäste.

Kéler Béla war während seiner 20-jährigen Schaffenszeit in Wiesbaden ein bekannter Komponist und tourte als Dirigent um die Welt. Eigens für die Einweihung der Synagoge am Michelsberg 1869 schrieb er ein Stück, dem er den Titel „Tempelweihe“ gab. Das Stück wurde am Abend vor der feierlichen Einweihung im Kurhaus aufgeführt. Das Kurorchester spielte die „Tempelweihe“, Kéler Béla dirigierte. Die Einweihung der Synagoge war ein gesellschaftliches Großereignis und wirkte weit über die jüdische Gemeinschaft in Wiesbaden hinaus. Der Titel „Tempelweihe“ nimmt Bezug auf den maurischen Baustil und das neue Selbstverständnis der Israelitischen Kultusgemeinde. Die Noten der „Tempelweihe“ sind erhalten geblieben.

Andreas Karthäuser, Organist der Johanneskirche Eltville-Erbach, arrangierte das Stück, das für ein ganzes Orchester geschrieben worden war, um und spielte es auf der Erbacher Orgel ein. Die Aufnahme soll einen Eindruck vermitteln, wie das Stück und die Orgel der Synagoge geklungen haben.

Ohne die Unterstützung der evangelischen Gemeinde TRIANGELIS Eltville-Erbach wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen.

Notensatz der „Tempelweihe“. Für Orgel von Andreas Karthäuser arrangiert

Die Voigt-Orgeln der Johanneskirche in Eltville-Erbach und der Synagoge am Michelsberg in Wiesbaden

Christian Friedrich Voigt (1803-1868) erbaute im Jahr 1865 die Orgel in der Erbacher Johanneskirche. Das Instrument verfügt über 19 Register. Das sind Pfeifenreihen mit einem bestimmten Klang. Diese Orgel verfügt also über 19 unterschiedliche Klangfarben und enthält mehr als 1000 einzelne Orgelpfeifen. 

Die Tasten der Orgel befinden sich auf zwei Manualen und einem Pedal. Das sind zwei übereinander angeordnete Tastenreihen für das Spiel mit den Händen und eine besondere Tastenreihe für das Spiel mit den Füßen. 

Eine Besonderheit der Erbacher Orgel ist ein spezielles Trompeten-Register. Dieses Register hat einen sehr kräftigen Klang, ganz besonders in den tiefen Tönen.

In den 1880er und 1890er Jahren wurden an der Erbacher Orgel Umbauarbeiten durchgeführt, um weitere neue Klänge zu erzeugen. Diese neuen Klangfarben waren damals „in“ und werden „romantisch“ genannt. Die Arbeiten führte wohl Heinrich Voigt durch, der den väterlichen Betrieb ab 1868 übernommen hatte. Damit könnten sich die Orgeln in Erbach und in der Synagoge am Michelsberg sehr ähnlich angehört haben.

Die Orgel der Synagoge am Michelsberg in Wiesbaden (1869)

Die Voigt-Orgel der Synagoge war nur vier Jahre jünger als ihr Schwester-Instrument in Erbach. Sehr wahrscheinlich wurde das Instrument nach dem Tod von Christian Friedrich Voigt 1868 von seinem Sohn Heinrich Voigt zu Ende gebaut.

Es ist davon auszugehen, dass die Orgel der Synagoge noch etwas größer war als diejenige in Erbach. Da die Orgel in der Synagoge oft als Begleitinstrument zu Gesang verwendet wurde, war ein Teil ihrer Pfeifen wohl etwas leiser angelegt.

Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Synagogen-Gesangsvereins 1913 wurde die Orgel der Synagoge durch ein doppelt so großes Instrument der Gebrüder Weigle ersetzt. Darauf weist eine im gleichen Jahr erschienene Broschüre mit dem Titel „Wiesbadener Synagogen-Gesänge“ hin. Hier werden Klangfarben verwendet, die die alte Orgel so hätte nicht spielen können.

Texte unter Mitarbeit von Andreas Karthäuser, Kirchenmusiker der Evangelischen Kirchengemeinde TRIANGELIS, Erbach, und Dr. Markus Frank Hollingshaus

Cookie Consent mit Real Cookie Banner